Während am Anfang alles über einem zusammenschlug und man neben all dem Leid und Schmerz unter Zeitdruck ständig Entscheidungen treffen musste, ständig jemand Geld wollte, man womöglich das „eigene Auto“ nicht mehr fahren durfte, Konten gesperrt wurden und man oft gar nicht genau wusste, ob man überhaupt zuständig ist, schlägt das Tempo nach dem Leichenschmaus plötzlich um. Von nun an dauern die Abläufe länger, und es sind weniger Entscheidungen zu treffen – doch diese sind umso wichtiger!
Das Verlassenschaftsgericht erhält vom Standesamt die Information über den Todesfall und leitet das Verlassenschaftsverfahren ein, das vom Gerichtskommissär (Notar) durchgeführt wird. Dieser lädt dann die Angehörigen ein, um sich ein Bild über die Erbmasse zu machen und die Erben zu ermitteln. Hierbei gibt es die Möglichkeit, sich vertreten zu lassen, es ist jedoch grundsätzlich empfehlenswert, aktiv am Verfahren mitzuwirken. Für ein rasches Vorankommen ist es natürlich ein Segen, wenn der Erblasser rechtzeitig vorgesorgt und alle Werte ebenso wie alle Risiken und Schulden aufgelistet und dokumentiert hat. Wenn dem jedoch nicht so war, ist es umso wichtiger, sich wie oben beschrieben einen Überblick zu verschaffen. Denn nicht immer ist ein Erbe ein Segen – doch dazu später.
Der Gerichtskommissär hat im Verlassenschaftsverfahren Möglichkeiten, die man als normaler Bürger nicht hat. So kann er bei Banken fragen, ob dort noch Guthaben des Erblassers bestehen (allerdings beschränkt sich die Auskunftspflicht der Kreditinstitute auf legitimierte Werte, das geliebte anonyme Sparbuch wird auf diese Art nicht gefunden). Er kann im Grundbuch und im Firmenbuch nach Namen suchen und so vielleicht vergessene Grundstücke oder Beteiligungen finden. Er fragt auch das Notariats- und Rechtsanwaltsregister nach etwaigen dort erfassten Testamenten ab.
Wenn sich dann ergibt, dass Sie allein oder gemeinschaftlich erbberechtigt sind, können Sie – je nach Vermögen oder Schulden in der Verlassenschaft/Erbmasse – zwischen 3 Varianten wählen:
DIE UNBEDINGTE ERBANTRITTSERKLÄRUNG
Das, wovon so mancher träumt, ist eine große Erbschaft – mit Immobilien und sonstigem Vermögen – die ihm ein sorgenfreies Leben ermöglicht. Erben ist in der Bevölkerung ja auch so positiv belegt, weil die meisten wirklich glücklich sein können; die Nachkriegsgeneration hat einerseits noch sparen gelernt und hat andererseits im Wiederaufbau noch gut verdienen können, zudem war die Steuerlast noch nicht so erdrückend wie heute. Da die Erblasser jedoch immer älter werden, kommt das Erbe meist nicht mehr mit 30 bis 40, wenn man es gut brauchen könnte, sondern oft erst mit 60 oder noch später, wenn eigentlich schon die Enkel das Geld brauchen könnten…. Aber egal wer nun am Ende erbt – er kann sich darüber meist freuen!
Hat man nun eine (vermeintlich) große Erbschaft gemacht und gibt eine unbedingte Erbantrittserklärung ab, tritt man als Erbe in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen vollinhaltlich ein (Universalsukzession) – wenn Sie dies tun, haften Sie auch mit dem eigenen Vermögen für Schulden des Verstorbenen, selbst, wenn diese im Nachlassvermögen nicht gedeckt sind.
Der Vorteil? Das Verlassenschaftsverfahren kann relativ schnell beendet werden, und die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände (wie Möbel, Schmuck oder Fahrzeuge) werden von Ihnen selbst eingeschätzt – ein Sachverständiger ist nicht erforderlich.
Aber Vorsicht, das kann schief gehen! Ich habe z.B. einen lieben Freund, der Mitte 20 nach dem frühen Tod des Vaters unbedarft ein Erbe unbedingt antrat und dann mit Entsetzen feststellen musste, wie sich die Vermögenswerte verflüchtigten! Einerseits hatte der Vater viele Geschäfte mit Handschlag besiegelt, sodass Forderungen nicht nachvollziehbar bzw. beweisbar waren, und andererseits traten unternehmensseitig immer weitere Schulden zu Tage. Mitte 50 meinte mein Freund dann freudestrahlend, dass er ab heute endlich schuldenfrei sei und nun noch 10 Jahre hätte, für seine eigene Pension vorzusorgen. Auch überraschend auftauchende Auslandskonten mögen auf den ersten Blick etwas Positives sein – doch kann in diesem Zusammenhang z.B. auch ein Finanzstrafverfahren ins Haus stehen. Mir ist es darum besonders wichtig, Sie auf die Wichtigkeit Ihrer Entscheidungen bzgl. der Art der Erbantrittserklärung hinzuweisen.
DIE BEDINGTE ERBANTRITTSERKLÄRUNG
Bei der bedingten Erbantrittserklärung haften Sie als Erbe nicht mit Ihrem eigenen Vermögen für allfällige Schulden des Erblassers, die Haftung ist mit der Höhe des tatsächlich vorhandenen Nachlassvermögens beschränkt – dieses muss jedoch genau festgestellt werden, bewegliche Güter (wie z.B. Wohnungseinrichtung, Schmuck oder Fahrzeuge) müssen von Sachverständigen bewertet werden, was zum einen Kosten auslöst, zum anderen aber auch Zeit in Anspruch nimmt. Dennoch: Sie sind auf der sicheren Seite, und das ist vorteilhaft!
Warum machen das nicht alle? Weil hierbei früher die Erbschaftssteuer eine Rolle spielte! Es ist zwar illegal, aber es kam durchaus vor, dass beim Erbe plötzlich hellere Flecken am Parkettboden waren, Überbringer-Sparbücher die Wohnung wechselten, und bei der unbedingten Erbantrittserklärung etwas Vergesslichkeit einkehrte – denn hier wird ja seitens des Verlassenschaftsgerichts nicht genau geprüft. Eine derartige (verbotene!) „Steueroptimierung“ wäre bei einer bedingten Erbantrittserklärung nicht so leicht möglich gewesen (siehe oben).
Seit der Abschaffung der Erbschaftssteuer und dem Wertverfall bei Perserteppichen kommen solche Erscheinungen jedoch seltener vor, und bedingte Erbantrittserklärungen werden häufiger in Erwägung gezogen.
Wird eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben, kommt es zur sogenannten Gläubigereinberufung:
Die Gläubiger werden mittels gerichtlichen Edikts aufgerufen, binnen einer bestimmten Frist Ihre Forderungen anzumelden, widrigenfalls sie bei nicht ausreichendem Vermögen keinen Anspruch auf Bezahlung der Schuld haben. Bei einer solchen Gläubigereinberufung hatte z.B. bei mir das Rote Kreuz eine Forderung über 7.000,- für Krankentransporte angemeldet, die dann aber größtenteils von der Sozialversicherung übernommen wurde.
Dieser Schritt ist für die Erben auch eine Hilfe, um einen Überblick über die Schuldenseite zu bekommen.
Minderjährige Erben
Minderjährige Erben sollen besonders geschützt werden. Um dies sicherzustellen, überwacht das Pflegschaftsgericht die Abwicklung, und es müssen gerichtlich beeidete Sachverständige die Werte ermitteln (siehe oben!). Zumeist wird ein Gebäudesachverständiger und ein Inventarsachverständiger beauftragt. Für das Kind darf grundsätzlich nur eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben werden, das Gericht kann anders verfügen, wird dies aber kaum tun. Das Verfahren dauert dadurch meist wesentlich länger.
Unbekannte oder ungeborene Erben
Manchmal ist der Aufenthalt eines Erbberechtigten nicht bekannt, das erbberechtigte Kind wurde noch nicht geboren, oder es müssen überhaupt erst die gesetzlichen Erben (z.B. Nachkommen der Großeltern) ausgeforscht werden. So lange kann ein Nachlass nicht unvertreten bleiben. Das Gericht bestellt daher einen Verlassenschaftskurator, der z.B. mit dem Verkauf des Inventars bzw. der Räumung der Wohnung oder mit dem Verkauf der Immobilien beauftragt wird und hierfür am Ende des Verfahrens eine Belohnung erhält. Er beauftragt dann das Räumungsunternehmen, den Antiquitätenhändler, den Immobilienmakler, etc.
Auch in diesem Fall muss von Gesetzes wegen für die unbekannten oder ungeborenen Erben jedenfalls eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben werden.
KEINE ERBANTRITTSERKLÄRUNG
Wenn Ihnen bereits vor Abgabe der Erbantrittserklärung bewusst ist, dass eine klare Überschuldung vorliegt, wenn Sie den Erblasser persönlich kaum kannten oder wenn Sie nicht über den rechtlichen und zeitlichen Background verfügen, einen komplexen Nachlass (z.B. mehrere Unternehmen und/oder Liegenschaften) zu verwalten, werden Sie das Erbe (zunächst) nicht antreten.
Sie können in diesem Fall die Bestellung eines Verlassenschaftskurators beantragen, der sämtliche Aktiven (Vermögenswerte) realisiert und sich mit den Gläubigern des Nachlasses auseinandersetzt. Am Ende seiner Tätigkeit hat sich das Bild des Nachlasses geklärt. Ist aktives Vermögen übrig, können Sie das Erbe nun antreten, jedoch nur, wenn Sie sich noch nicht vollends des Erbrechts entschlagen haben.
Denn: Einmal entschlagen ist immer entschlagen!
Der Verlassenschaftskurator erhält für seine Mühe seitens des Gerichts eine Belohnung aus dem Nachlassvermögen zugesprochen.
Im Umkehrschluss: Sehr gut überlegen sollten Sie sich auch, wenn Sie aus Sentimentalität oder Familienehre trotz Überschuldung das Erbe antreten wollen. Überschlafen Sie es ruhig mehrfach und lassen Sie sich beraten, bevor Sie voreilig eine schwerwiegende Entscheidung treffen. Es kann Sie niemand zwingen, ein überschuldetes Erbe anzutreten!
Eine Sonderform der Entschlagung ist, wenn man zugunsten eines anderen Erben auf sein Erbe verzichtet (rein formell handelt es sich hierbei sogar um eine qualifizierte Schenkung). Das passiert manchmal, wenn eine Firma oder eine Landwirtschaft die Auszahlung des Erbteils nicht überleben würde oder die Mutter das Haus verkaufen müsste, um den Erbteil auszuzahlen, und man ihr das nicht antun will.
Das (übliche) Verlassenschaftsverfahren wird mit der Einantwortung beendet.
Dabei erlässt das Abhandlungsgericht den sogenannten Einantwortungsbeschluss. Dieser Gerichtsbeschluss enthält:
- Daten des Verstorbenen
- Daten der Erben
- Art der Erbantrittserklärung
- Erbrechtstitel (Gesetz, ..)
- Erbquote
- Grundbücherliche Anordnungen (wenn Liegenschaften vorhanden sind)